Genauere Diagnosen mit HiFR-CEUS

2022-12-16

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Eine aktuelle Studie, die an sechs Universitätskliniken durchgeführt wird, überprüft, ob kontrastmittelverstärkter Ultraschall mit hoher Bildrate (HiFR-CEUS) genauer als herkömmliche Ultraschallmethoden zwischen kleinen hepatozellulären Karzinomen und anderen kleinen Leberläsionen unterscheiden kann.

 

Kontrastmittelverstärkter Ultraschall (CEUS oder KM-Sonografie) ist ein außerordentlich dynamisches Feld, auf dem in den letzten Jahren weitere technologische Innovationen zur Verbesserung der Bildqualität erreicht werden konnten. Eine dieser Innovationen ist der kontrastmittelverstärkte Ultraschall mit hoher Bildrate (HiFR-CEUS), der im Vergleich zu herkömmlichem Ultraschall bis zu zehnmal so viele Bilder liefert – in derselben Zeit. Forschungen an sieben Zentren in Deutschland, der Schweiz und China untersuchen die Effektivität von HiFR-CEUS in der Diagnostik kleiner Leberläsionen. Professor Dr. Yi Dong von der Abteilung für Ultraschall am Xinhua-Krankenhaus der Shanghai Jiaotong University School of Medicine, und Professor Dr. Christoph F. Dietrich vom Departement Allgemeine Innere Medizin des Hirslanden-Krankenhauses Bern, Schweiz, erläutern Hintergründe und Ziele der Studie.

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Professor Dr. Yi Dong (links) und Professor Dr. Christoph F. Dietrich

Was genau untersuchen Sie in dieser Studie?

Yi Dong: „Das Hauptziel ist die präzisere Diagnose fokaler Leberläsionen mit einem Durchmesser unter 3 cm bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Leberzirrhose. Frühere Studien haben gezeigt, dass Muster und Gefäßmorphologien solcher Läsionen von HiFR-CEUS sehr gut dargestellt werden. Unsere Vermutung ist, dass HiFR-CEUS eine räumlich wie zeitlich verbesserte Auflösung bietet, und also eine höhere Bildqualität bei sehr kleinen Leberläsionen. Sollte sich das bestätigen, ließen sich solche Läsionen zuverlässiger charakterisieren und diagnostizieren. Aus der bisherigen wissenschaftlichen Erforschung zu hepatozellulären Karzinomen (HCC) wissen wir bereits, dass es sehr darauf ankommt, ob sich die kleinen Läsionen in den zirrhotischen oder den gesunden Bereichen der Leber befinden.“

 

Christoph Dietrich: „Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose haben ein erhöhtes Risiko, HCC zu entwickeln. Bei Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose sind Tumore mit einer Größe von mehr als 30 mm sehr wahrscheinlich ein HCC. Ist die Läsion aber im Durchmesser nur 12 mm groß, ist die Wahrscheinlichkeit für HCC nur noch fifty-fifty. Sofern nicht andere diagnostische Verfahren bereits Klarheit geschaffen haben, ist folglich die Charakterisierung kleiner Tumore wichtiger als die der größeren, bei denen es sich höchstwahrscheinlich sowieso um HCC handelt. Nun kann ein HCC im Gegensatz zu anderen Lebertumoren meist chirurgisch entfernt oder abladiert werden. Unser Ziel ist es deshalb zu verhindern, dass Patientinnen und Patienten mit einem benignen oder auch malignen Nicht-HCC-Tumor unnötig operiert werden.“

Mit welcher Methode werden Tumore im Krankenhausalltag heute standardmäßig charakterisiert?

Christoph Dietrich: „Zur Abklärung der Frage, ob eine Operation zur Entfernung des Tumors angezeigt ist, wird ein PET-CT-Scan des gesamten Rumpfs vom Hals bis zum Beckenboden durchgeführt, das sogenannte Staging. In der Onkologie ist der Ultraschall weniger leistungsstark als das CT, auch weil man die Lunge damit nicht penetrieren kann. Auch wenn das CT bei bestimmten Untersuchungen der Abdominalorgane etwas schlechter als der Ultraschall abschneiden mag, ist es doch die evidenzbasierte Methode der Wahl und insofern ein Alles-drin-Verfahren. In unserer Studie geht es also darum, ob HiFR-CEUS ausgehend von diesem Stand noch relevante zusätzliche Daten liefern könne. Wenn wir das wissenschaftlich zeigen können, und HiFR-CEUS also kleine Läsionen besser darstellen kann als aktuelle CT/MRI, können Patientinnen und Patienten besser behandelt und unnötige Operationen vermieden werden.“

 

Yi Dong: „Wir erwarten in der Tat, dass in der Diagnostik fokaler Leberläsionen HiFR-CEUS der konventionellen CEUS deutlich überlegen ist, was die Genauigkeit der Diagnose, die Empfindlichkeit und Spezifität angeht. In der Studie vergleichen wir die beiden Bildgebungsverfahren direkt. Dabei zielen wir allerdings nicht nur auf den Nachweis der Überlegenheit von HiFR CEUS im Gegensatz zu herkömmlicher CEUS; vielmehr wollen wir auch die jeweiligen Stärken der beiden Methoden aufzeigen.“

 

Christoph Dietrich: „Ob hohe oder niedrige Bildrate: CEUS hat einen entscheidenden Vorteil, nämlich das er strikt intravaskulär ist. Während CT-Kontrastmittel auch außerhalb der Blutgefäße wirken, zeigen Ultraschall-Kontrastmittel ausschließlich das Gefäßsystem.“

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13 mm großer Gallenblasenpolyp neben der Leber, der im CT nicht zu sehen war. Foto: Prof. Dietrich

Wie funktioniert diese Bildgebungstechnologie?

Yi Dong: „Bei herkömmlichen Ultraschallsystemen beträgt die Bildwiederholrate in der nicht-kardiologischen, kontrastmittelverstärkten Bildgebung etwa zehn Bilder pro Sekunde. Das von uns genutzte HiFR-CEUS-System, das Mindray Resona 9, ist sehr viel schneller: Es erzeugt bis zu 100 Bilder pro Sekunde. Eine solch hohe Bildrate bedeutet eine bessere Visualisierung der Gefäßmorphologie und sogar der Details der mikrovaskulären Durchblutung, aber auch einen besseren Nachvollzug der Bewegung. Kurz: Es erhöht die Diagnoseeffizienz des CEUS. In unserer Studie konzentrieren wir uns auf die vaskuläre Architektur während der arteriellen CEUS-Phase, der frühen Wash-in-Phase, die Dauer der Kontrastmittelverstärkung, Elimination und die entsprechenden Muster.“

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Es ist wie bei einem Fischernetz: je enger die Maschen sind, desto mehr Fische fängt man.

 

Christoph Dietrich

Könnten Sie das vielleicht noch etwas genauer erklären?

Christoph Dietrich: „Etwa 70 % des Blutflusses in der Leber läuft durch die Portalvene, welche Nährstoffe und Stoffwechselprodukte vom Gastrointestinaltrakt sowie Toxine zu ihrer Unschädlichmachung zur Leber transportiert. Zudem liefert das Arterienblut 30 % des Sauerstoffs. Bei kontrastmittelverstärkten Ultraschalluntersuchungen der Leber wird also sowohl das arterielle wie das portalvenöse Blut zur Bildgebung verwendet. Bei einer Leberzirrhose ist die Portalvene beschädigt, wodurch das Blut nicht mehr entgiftet werden kann. Die Folge für die Bildgebung: Die portalvenöse Phase liefert weniger Daten. Also konzentrieren wir uns in der Studie auf die arterielle Phase. Dank der hohen Bildrate wird ungeachtet des Verzichts auf die portalvenöse Phase eine große Menge relevanter Daten gewonnen. Es ist wie bei einem Fischernetz: je enger die Maschen sind, desto mehr Fische fängt man. Auf die Bildgebung bezogen: je größer die Liniendichte, desto höher die Auflösung. Dadurch gehen mehr Tumore ins Netz, mit denen man dann gemäß den aktuellen medizinischen Leitlinien verfahren kann.“

Könnten Sie das vielleicht noch etwas genauer erklären? Verwenden Sie in Ihrer Studie noch weitere innovative Technologien?

Yi Dong: „Wir nutzen ein spezielles Softwarepaket namens VueBox, um die Daten quantitativ auszuwerten. Wir erhalten so die Zeit-Intensitäts-Kurve und können quantitative Parameter für die weitere Diagnostik bestimmen. Unsere Hoffnung ist, kleine Läsionen durch diese quantitativen Analyse früher entdecken zu können.“

 

Christoph Dietrich: „Die Quantifizierung der Verstärkungskinetik ist ein vielversprechendes Tool, das Bildgebung objektiver machen könnte. Letztlich liefern Zahlen mehr Informationen, als es die durch die Kontrastmittelverstärkung und das Wash-out verursachten Helligkeitsgrade tun.“

Einmal perspektivisch gedacht: Könnte HiFR-CEUS be vielleicht auch einmal bei anderen Indikationen eingesetzt werden?

Yi Dong: „Es ist möglich, dass HiFR-CEUS eines Tages die Diagnose kleiner Brust- oder Thyroidläsionen sowie die Untersuchung der mikrovaskulären Durchblutung der auf die Carotis zuführenden Gefäße unterstützen kann.“

 

Christoph Dietrich: „Was wir vorhin über die Leber gesagt haben, gilt auch für andere Organe: Je kleiner die Läsion, desto größer die Möglichkeit, dass es sich um einen gutartigen oder einen andersartigen Tumor handelt. Trotzdem kann die Methode freilich nicht einfach 1:1 auf andere Organe übertragen werden. Jedes Organ hat halt seine ganz eigenen Gesetze.“

Ich danke Ihnen für dieses Interview.

Profiles:

Professor Dong Yi, MD, PhD ist Chef der Abteilung für Ultraschall am Xinhua-Krankenhaus, Shanghai Jiaotong University School of Medicine. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende des Youth Committee der Chinesischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (CSUM) und ihres Kapitels Shanghai. Als Mitglied der Expertengruppe für Leitlinien und Gute klinische Praxis war sie an der Abfassung von Empfehlungen für kontrastmittelverstärkten Ultraschall (CEUS) in der Leber (aktualisiert 2020) für WFUMB in Kooperation mit EFSUMB, AFSUMB, AIUM und FLAUS beteiligt. Dong Yi war Postdoctoral Research Fellow am Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, USA, zudem Research Fellow an der Universität Pavia, Italien, und am Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim, Deutschland.

 

Professor Dr. med. Christoph Frank Dietrich, MBA, ist Chef des Medizinischen Departments der Hirslanden-Kliniken Beau Site, Salem und Permanence, Schweiz. Er ist Professor h. c. an der Zhengzhou Universität, China. Er hat sie spezialisiert in den Bereiche Innere Medizin (1997), Gastroenterologie und Häpatologie (2000) einschließlich eines Fellowships in Gastroenterologie (EBG), Pneumologie (2002), Hämathologie und Onkologie (2008), Proktologie (2009), Palliativmedizin (2009), Und Geriatrische Medizin (2009). Von 2007 bis 2011 hat das Amt des Honorary Secretary der EFSUMB bekleidet. Zudem war er Präsident der European Federation of Societies in Ultrasound Medicine and Biology (EFSUMB, 2013–2015) und Vizepräsident der World Federation of Ultrasound in Medicine and Biology (WFUMB) von 2017 bis 2019. Die Schwerpunkte seiner akademischen Laufbahn liegen in den Bereichen Endoskopie und Ultraschall. Seine Veröffentlichungsliste umfasst mehr als 1100 wissenschaftliche Artikel und Buchkapitel.